Sozialplanabfindung und Klageverzichtsprämie

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 07.12.2021 klargestellt, dass eine Klageverzichtsprämie zusätzlich zu einer Sozialplanabfindung geschuldet sein kann, selbst wenn die Abfindung im Sozialplan durch eine Höchstsumme gedeckelt ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.12.2021 (1 AZR 562/20)

Die Situation kommt häufig vor:

Ein Unternehmen beschließt eine Umstrukturierung, die mit Stellenabbau verbunden ist. Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbaren daraufhin einen Sozialplan zur Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile. Der Sozialplan sieht Abfindungen vor, deren Höhe individuell anhand einer Formel berechnet wird. In dieser Abfindungsformel werden die Betriebszugehörigkeit, das Gehalt und ein Abfindungsfaktor berücksichtigt. Im Sozialplan wurde vorliegend allerdings die Höhe der Abfindung „gedeckelt“, d. h. ein Höchstbetrag der Abfindung festgelegt. Im konkreten Fall war die Höhe der Abfindung auch maximal € 75.000,- begrenzt.

Mit Abschluss des Sozialplans war für den Arbeitgeber aber nicht gesichert, dass Arbeitnehmer die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses akzeptieren würden. Der Arbeitgeber wollte Klagen vermeiden und vereinbarte daher mit dem Betriebsrat in einer separaten Betriebsvereinbarung eine sogenannte Klageverzichtsprämie: Diejenigen Arbeitnehmer, die keine Kündigungsschutzklage erhoben, sollten eine höhere Abfindung erhalten. Konkret wurde der Abfindungsfaktor um 0,25 erhöht.

In der Betriebsvereinbarung wurde nicht ausdrücklich geregelt, ob die Deckelung der Abfindung auf maximal € 75.000,- auch für die Klageverzichtsprämie gelten sollte. Ein Streit war vorprogrammiert:

Dem Kläger war gekündigt worden. Rechnerisch ergab die Formel im Sozialplan eine Abfindung von rund € 100.000,-. Er erhielt aufgrund der Deckelung nur die Höchstsumme von  € 75.000,-. Auch die Klageverzichtsprämie zahlte der Arbeitgeber nicht, weil die Höchstsumme der Abfindung erreicht sei.

Damit war der Kläger nicht einverstanden: Er klagte die volle rechnerische Abfindung und die Klageverzichtsprämie ein.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht hat den Arbeitgeber verurteilt, die Klageverzichtsprämie – immerhin weitere € 26.635,12 – an den Kläger zu zahlen und hat dies zusammengefasst wie folgt begründet:

Die Betriebsvereinbarung enthielt keine ausdrückliche Regelung zur Geltung der Höchstgrenze für die Klageverzichtsprämie. Geregelt war aber, dass Arbeitnehmer im Falle des Verzichts auf eine Klage eine „höhere Abfindung“ erhalten sollten. Würde man die Höchstgrenze ansetzen, würden alle Arbeitnehmer, die schon nach dem Sozialplan die Höchstgrenze erreichten, trotz Klageverzichts gar keine Abfindung erhalten – also gerade keine „höhere Abfindung“. Das widersprach dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung.

Außerdem sollte der Arbeitgeber eine höhere Abfindung als Gegenleistung für die von ihm gewünschte Planungssicherheit zahlen. Bei Arbeitnehmern, die schon die Höchstgrenze erreicht hatten, würde der Arbeitgeber also gar keine Gegenleistung erbringen müssen. Dies widersprach dem Zweck der Betriebsvereinbarung.

Auch der Umstand, dass zwei getrennte Vereinbarungen (Sozialplan und Betriebsvereinbarung) geschlossen wurden, sprach gegen eine einheitliche Geltung der Höchstgrenze.

Dass Arbeitgeber und Betriebsrat die Betriebsvereinbarung vielleicht anders gemeint hatten, durfte keine Rolle spielen: es war nicht geregelt worden.

Das Bundesarbeitsgericht hat schließlich betont, dass eine Anwendung der Höchstgrenze gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde: Es gibt keine sachliche Rechtfertigung dafür, diejenigen Arbeitnehmer, deren Sozialplanabfindung den Höchstbetrag von € 75.000,- erreicht, für ihren Klageverzicht schlechter zu stellen, als die anderen Arbeitnehmer.

Daher stand dem Kläger die Klageverzichtsprämie zu.

Die Klage auf Zahlung der rechnerischen Sozialplanabfindung hat der Kläger allerdings verloren: Die Regelung einer Höchstgrenze für Abfindungen ist in Sozialplänen grundsätzlich zulässig.

Unser Tipp:

Verschenken Sie kein Geld !

Selbst wenn in einem Sozialplan eine Höchstgrenze geregelt ist, sind nicht immer alle Bestandteile einer Abfindung davon erfasst. Es kommt auf den genauen Wortlaut der Regelung und deren Zweck an. Insbesondere der Hinweis des Bundesarbeitsgerichts auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kann zu höheren Ansprüche verhelfen. Es lohnt sich daher, die Berechnung einer Abfindung genau zu prüfen.

Wir helfen Ihnen gerne !