Rückzahlung von Fortbildungskosten LAG Hamm, Urteil v. 29.01.2021

Vereinbaren Arbeitgeber* und Arbeitnehmer* eine bezahlte Fort- oder Weiterbildung, wird oft eine Rückzahlungsklausel geschlossen, durch die der Arbeitnehmer in bestimmten Fällen zur Rückzahlung der aufgewendeten Kosten verpflichtet werden soll. In der Regel soll der Arbeitnehmer nach Abschluss der Fortbildung eine gewisse Zeit an das Unternehmen gebunden sein.

Wann sind solche Rückzahlungsklauseln wirksam?

Das LAG Hamm hat die Rechtsprechung arbeitnehmerfreundlich weiterentwickelt.

Es ist anerkannt, dass eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung für den Fall, dass ein Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig ist. Die Vereinbarung muss aber die Freiheit des Arbeitnehmers an seiner Berufswahl – und dazu gehört auch die Entscheidung, einen Arbeitgeber zu wechseln – beachten. Um wirksam zu sein, muss die Rückzahlungsverpflichtung daher einem anzuerkennenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen, die aufgewendeten Kosten durch den Einsatz des Arbeitnehmers zu amortisieren. Außerdem muss der Arbeitnehmer mit der Fortbildung überhaupt einen „Wert“ erhalten, der in der Rückzahlungsverpflichtung angemessen berücksichtigt wird.

Eine Rückzahlungsverpflichtung ist daher nur wirksam, wenn

  • Die Fortbildung nicht nur im Interesse des Arbeitgebers liegt, sondern auch der Arbeitnehmer hieraus einen „Wert“ erlangt (z. B. bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt)
  • Der Arbeitnehmer nur für eine angemessene Dauer nach Abschluss der Fortbildung am Unternehmen gebunden wird
  • Der Arbeitnehmer vor Abschluss der Fortbildungsvereinbarung klar erfährt, worauf er sich einlässt (insbesondere hinsichtlich der Höhe der entstehenden Kosten, die er ggfs. bei Ausscheiden zurückzahlen soll)
  • Die Gründe, aus denen der Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden die Fortbildungskosten zurückzahlen muss, unter Beachtung der Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sind.

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Fortbildungsvereinbarung unterliegt dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Gemäß § 307 Abs. 1 BGB ist sie danach zu messen,  ob sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn eine Konstellation eintreten könnte, unter der die Rückzahlungsklausel ungerechtfertigt wäre. Dann ist die gesamte Rückzahlungsklausel unwirksam. Denn eine sog. geltungserhaltende Reduktion kommt bei allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in Betracht.

Zu allen o. g. Punkten gibt es eine sehr detaillierte Rechtsprechung. Das LAG Hamm musste sich mit dem letzten Punkt befassen nämlich der Frage, ob in der Fortbildungsvereinbarung die Gründe für das Ausscheiden, die eine Rückzahlungspflicht auslösten, alle gerechtfertigt waren.

Was gilt bisher?

Das Bundesarbeitsgericht hat schon entschieden, dass es nicht zulässig ist, eine Rückzahlungspflicht einschränkungslos an das Ausscheiden des Arbeitnehmers zu knüpfen. Es muss vielmehr nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens unterschieden werden.

Eine Rückzahlungsklausel ist nur dann angemessen, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat, die Rückzahlungsverpflichtung durch eigene Betriebstreue zu verhindern. Müsste der Arbeitnehmer die Fortbildungskosten auch dann zurückzahlen, wenn die Gründe der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers liegen, hätte es der Arbeitgeber in der Hand, den Arbeitnehmer mit den Kosten zu belasten.

Daher muss eine Rückzahlungsklausel in der Fortbildungsvereinbarung alle Fälle ausschließen, die allein im Risikobereich des Arbeitgebers liegen. Das betrifft insbesondere die Fälle einer betriebsbedingte Kündigung.

Zulässig ist eine Rückzahlungsvereinbarung in Fällen einer Kündigung durch den Arbeitgeber aus Gründen, die der Arbeitnehmer zu vertreten hat (also eine verhaltensbedingte Kündigung).

Oft wird in einer Fortbildungsvereinbarung geregelt, dass der Arbeitnehmer die Kosten zurückzuzahlen hat, wenn er das Arbeitsverhältnis selbst kündigt. Aber selbst bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers kann es Konstellationen geben, in denen die Kündigung vom Arbeitgeber (mit-)veranlasst wurde, z. B. durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers. Eine Rückzahlungsklausel, die dies nicht berücksichtigt, ist daher ebenfalls unwirksam.

Was ist am Urteil des LAG Hamm neu?

Das LAG Hamm hatte über eine Rückzahlungsklausel zu urteilen, bei der – im Prinzip richtig – die Rückzahlungsverpflichtung bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers auf Fälle beschränkt war, die nicht vom Arbeitgeber zu vertreten waren.

Was gilt aber, wenn die Eigenkündigung aus Gründen erfolgt, die weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer „vertreten“ muss? Das ist der Fall bei einer Eigenkündigung aus sog. personenbedingten Gründen. Ist ein Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person nicht mehr in der Lage, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, kann der Arbeitgeber berechtigt sein, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Klassischer Fall ist die Kündigung bei dauerhafter Erkrankung des Arbeitnehmers. Genauso kann aber umgekehrt ein Arbeitnehmer in einem solchen Fall entscheiden, sein Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen. Die Krankheit hat niemand zu vertreten. Darf eine Fortbildungsvereinbarung auch für den Fall einer personenbedingten Eigenkündigung eine Rückzahlungspflicht vorsehen?

Auf den ersten Blick könnte man meinen: Rückzahlungspflicht ja. Denn der Arbeitgeber hat eine solche Eigenkündigung nicht zu vertreten und bleibt auf den Kosten der von ihm bezahlten Fortbildung sitzen.

Das LAG Hamm hat geprüft, was im Fall einer Langzeiterkrankung denn passieren würde, wenn ein Arbeitnehmer nicht kündigen würde: Dann würde die Bindungsdauer ablaufen und der Arbeitgeber würde seine getätigten Investitionen (d. h. die Übernahme der Fortbildungskosten) nicht durch Betriebstreue des Arbeitnehmers amortisieren können. Warum sollte man also vom einem Arbeitnehmer verlangen, dass er eine Kündigung in einem solchen Fall unterlässt ? Worin liegt das berechtigte Bindungsinteresse des Arbeitgebers, der eine Rückzahlungspflicht erlaubt?

Das Bundesarbeitsgericht hatte mit Urteil vom 11.12.2018 (9 AZR 383/18) schon ähnlich argumentiert in einem Fall, in dem in einem Arbeitsvertrag bei personenbedingten Gründen (dort: Verlust der Flugtauglichkeit eines Piloten) die Vertragspflichten ausdrücklich suspendiert wurden.

Das LAG Hamm hat dies am 29.01.2021 nun allgemein formuliert:

„Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung muss, um nicht unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB zu sein, … u.a. vorsehen, dass die Rückzahlungsverpflichtung auch dann entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis aus nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenden personenbedingten Gründen, die bis zum Ablauf der Bleibedauer anhalten, vom Arbeitnehmer durch Ausspruch einer Kündigung oder aufgrund einer aus diesen Gründen geschlossenen Auflösungsvereinbarung beendet wird.“

Was sind die Folgen dieser Entscheidung?

Nochmal: Ob die personenbedingte Situation im konkreten Fall vorliegt, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel irrelevant. Es genügt schon, dass diese Konstellation bei der Formulierung der Rückzahlungsklausel nicht bedacht wurde, damit die gesamte Rückzahlungsverpflichtung unwirksam ist.

Da hierzu noch keine abschließende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vorliegt, hat das LAG Hamm die Revision zugelassen. Es ist durchaus zu erwarten, dass das Bundesarbeitsgericht das Urteil bestätigt.

Unser Tipp:
Falls Sie eine Fortbildungsvereinbarung geschlossen haben und eine Eigenkündigung erwägen oder ausgesprochen haben, lassen Sie Ihre Fortbildungsvereinbarung rechtlich prüfen ! In sehr vielen Fällen erweisen sich die Rückzahlungsklauseln als unwirksam.
Wir helfen Ihnen gerne!

* Die im gesamten Text undifferenzierte Bezeichnung „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ dient lediglich der besseren Lesbarkeit.