Der EuGH hat entschieden: Der Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten gemäß § 6 Abs. 4 BDSG ist wirksam !
Sachverhalt
Der Sachverhalt ist geradezu klassisch: Die Klägerin arbeitete seit 15.01.2018 als Teamleiter Recht und war außerdem zur Datenschutzbeauftragten bestellt worden. Am 13.07.2018 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15.08.2018 und berief die Klägerin als Datenschutzbeauftragte ab. Er begründete die Kündigung damit, man habe wegen des hohen Risiko- und Haftungspotenzials im Bereich Datenschutz und einer dringend notwendigen Professionalisierung die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Stelle der „Teamleitung Recht“ entfallen zu lassen und den Datenschutz extern zu vergeben.
Diese Kündigungsgründe wirkten reichlich vorgeschoben. Da der Arbeitgeber aber 2 Tage vor Ablauf der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gekündigt hatte, hatte die Klägerin noch keinen Kündigungsschutz gem. Kündigungsschutzgesetz. Sie klagte trotzdem und berief sich auf ihren Sonderkündigungsschutz als Datenschutzbeauftragte. Die Vorschrift lautet:
§ 6 Abs. 4 BDSG
Die Abberufung der oder des Datenschutzbeauftragten ist nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässig. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen.
Nach dieser Vorschrift darf einem Datenschutzbeauftragten nur außerordentlich gekündigt werden. Da der Arbeitgeber aber ordentlich gekündigt hatte, war die Kündigung unwirksam. Das Arbeitsgericht Nürnberg gab der Klage daher statt.
Das Arbeitsgericht betonte außerdem, dass die vom Arbeitgeber genannten Gründe auch für eine außerordentliche Kündigung nicht gereicht hätten. Hat sich ein Arbeitgeber für einen internen Datenschutzbeauftragten entschieden, darf er nicht kündigen mit der einfachen Begründung, den Datenschutz wieder extern vergeben zu wollen. Ansonsten wäre der Sonderkündigungsschutz wertlos. Es müssen zwingende Gründe vorliegen, die eine Kündigung notwendig machen. Dies kann z. B. bei einem dauerhaften Wegfall der Aufgaben eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Fall sein (BAG, Urteil v. 23.03.2011 – 10 AZR 562/09).
In der Berufungsinstanz hat das LAG Nürnberg hat die Entscheidung bestätigt.
Das Bundesarbeitsgericht hatte dagegen Zweifel, ob § 6 Abs. 4 BDSG mit europäischem Recht vereinbar ist. Denn § 6 Abs. 4 BDSG gewährt einen deutlich weitergehenden Kündigungsschutz, als die europäische Regelung der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Art. 38 Abs. 3 DS-GVO regelt nur, dass ein Datenschutzbeauftragter nicht „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben benachteiligt“ werden darf.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage daher dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt zur Klärung, ob § 6 Abs. 4 BDSG mit der DS-GVO vereinbar ist. Damit stand der Kündigungsschutz auf der Kippe.
Der EuGH hat die Vereinbarkeit mit der DS-GVO aber bejaht. Der EuGH hat bestätigt, dass nationale Vorschriften für Kündigungen gegenüber Datenschutzbeauftragten strenger sein dürfen, als die europäische DS-GVO. Grenzen seien zwar geboten, wenn die Verwirklichung der Ziele der DS-GVO beeinträchtigt werden könnten. Dies wäre aber nur dann ersichtlich, wenn das nationale Recht die Abberufung oder Kündigung von Datenschutzbeauftragten selbst dann verbieten würde, wenn diese die nicht mehr die notwendigen beruflichen Eigenschaften besitzen oder ihre Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllen.
Um einen solchen Fall handelte es sich hier aber nicht.
Erwartungsgemäß hat das Bundesarbeitsgericht der Klage nun rechtskräftig stattgegeben (BAG, Urteil vom 25.08.2022, 2 AZR 225/20): Die Kündigung war unwirksam.
Was sind die Folgen dieser Entscheidung ?
Datenschutzbeauftragte können also aufatmen. Der besondere Kündigungsschutz gilt.
Unser Tipp:
Noch offen ist dagegen die Frage, ob das Amt des Betriebsratsvorsitzenden oder eines mit der EDV des Betriebsrats verantwortlichen Betriebsratsmitglieds mit der Funktion eines Datenschutzbeauftragten vereinbar ist. Das Bundesarbeitsgericht hat dem EuGH auch diese Frage vorgelegt (BAG, Beschluss vom 27.04.2021, 9 AZR 383/19 (A), Aktenzeichen des EuGH: C-453/21). Der EuGH soll klären, ob ein Interessenkonflikt gemäß Art. 38 Abs 6 DS-GVO vorliegt, der eine Abberufung erlauben würde. Die Entscheidung steht noch aus.
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