Weg frei für virtuelle Betriebsratssitzung
1. Das Wichtigste in Kürze
Der Bundesrat hat am 15.05.2020 einer temporäreren Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes zugestimmt. Mit dem neu eingeführten § 129 BetrVG ist es nun möglich, Beschlüsse auch über Video- und Telefonkonferenzen zu fassen. Die Regelung gilt rückwirkend ab dem 01.03.2020 und ist bis zum 31.12.2020 befristet.
2. Die Vorschrift im Wortlaut
Der neue § 129 BetrVG lautet wie folgt:
§ 129 Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie
(1) Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Absatz 1 Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen. Gleiches gilt für die von den in Satz 1 genannten Gremien gebildeten Ausschüsse.
(2) Für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend.
(3) Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 können mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.
3. Was regelt die Vorschrift?
§ 129 Abs. 1 und 2 regeln, dass die Teilnahme an Sitzungen sowie Beschlussfassungen in Telefon- und Videokonferenzen für folgende betriebsverfassungsrechtliche Gremien zulässig sind:
- Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat
- JAV, Gesamt-JAV und Konzern-JAV
- Wirtschaftsausschuss
- Einigungsstelle
- Ausschusssitzungen
- Betriebs- und Betriebsräteversammlungen sowie Versammlungen der Jugend- und Auszubildendenvertretungen.
Über die Durchführung der Sitzung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz entscheidet der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Vorsitzende hat sein Ermessen davon leiten zu lassen, dass eine Präsenzsitzung der gesetzliche Regelfall ist. Für die Sitzung/Beschlussfassung im Rahmen einer Video- oder Telefonkonferenz bedarf es deswegen immer sachlicher Gründe (wie z.B. öffentlich-rechtliche Kontaktsperren). Darüber hinaus muss der Vorsitzende die Größe des Gremiums berücksichtigen. Je kleiner das Gremium, desto eher wird der Vorsitzende eine Präsenzsitzung durchführen müssen, weil durch die Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes eine Infizierung vermieden werden kann. Möglich sind auch »gemischte« Sitzungen, bei denen ein Teil der Betriebsratsmitglieder vor Ort anwesend und ein anderer Teil »zugeschaltet« ist, insbesondere weil eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln angesichts der Infektionsgefahren mit dem Corona-Virus nach eigener Einschätzung des Betriebsratsmitglieds nicht zumutbar ist.
Telefonkonferenzen sollten nur das letzte Mittel sein.
Sitzungen und Beschlussfassungen der betriebsverfassungsrechtlichen Gremien dürfen nur dann mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Dies kann dadurch gewährleistet werden, dass die an der Sitzung teilnehmenden Mitglieder in einer möglichst abgeschirmten Atmosphäre teilnehmen und Zugangsdaten nur den Mitgliedern zugänglich gemacht werden.
Die Anwesenheit ist dem Vorsitzenden in Textform (z.B. E-Mail) zu bestätigen. Eine Aufzeichnung der Sitzung oder Versammlung ist nicht zulässig.
(Bachner, Kommentar zum BetrVG, § 129 BetrVG)