Kündigung während der Probezeit

Ein(e) Arbeitnehmer(in) darf sich nicht darauf verlassen, dass die Probezeit im Arbeitsvertrag nur „pro forma“ vereinbart wird.

LAG Meckl.-Vorpommern, Urt. v. 05.10.2021 (5 Sa 22/21)

Amtliche Leitsätze:

  1. Aus einer arbeitgeberseitigen Äußerung im Vorstellungsgespräch oder bei Arbeitsantritt, dass eine Probezeit nur “pro forma“ vereinbart werde oder sei, lässt sich regelmäßig kein Verzicht des Arbeitgebers auf die erleichterten Kündigungsmöglichkeiten während der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes herleiten.
  2. Stützt der Arbeitgeber eine Wartezeitkündigung allein auf Werturteile, wie zum Beispiel mangelnde Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten, genügt es, dem Personalrat diese Einschätzung mitzuteilen. Die diesem subjektiven Werturteil evtl. zugrundeliegende Tatsachenelemente muss der Arbeitgeber nicht angeben. Es reicht aus, wenn er dem Personalrat lediglich das Werturteil als Ergebnis seines Entscheidungsprozesses mitteilt.

Was ist passiert?

Eine Arbeitnehmerin hatte sich erfolgreich bei einem Unternehmen beworben. Sie erhielt einen üblichen Arbeitsvertrag, der eine 6-monatige Probezeit vorsieht. Zunächst lief alles gut. Kurz vor Ablauf von 6 Monaten erhielt sie jedoch plötzlich die Kündigung.

Sie kennen diese Situation?

Die Arbeitnehmerin hat dies nicht akzeptiert und klagte dagegen. Denn im Vorstellungsgespräch war ihr gesagt worden, die Probezeit im Vertrag werde nur „pro forma“ vereinbart; angesichts ihrer Qualitäten und ihrer Berufserfahrung würde der Arbeitgeber hiervon keinen Gebrauch machen. Konkrete Kündigungsgründe wurden ihr außerdem nicht genannt. Auch dem Personalrat hatte der Arbeitgeber nur sehr allgemein mitgeteilt, dass nach seiner Einschätzung Defizite an der persönlichen Eignung (Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten) bestünden.

Das Urteil

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) hat die Klage zurückgewiesen.

Bei Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses läuft eine sog. Wartezeit von 6 Monaten. Während der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses greift das Kündigungsschutzgesetz noch nicht. Daher darf ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ohne besondere Begründung ordentlich kündigen.

Zusätzlich zu dieser gesetzlichen Regelung wird im Arbeitsvertrag oft eine sog. Probezeit vereinbart. Diese Probezeit kann bis zu 6 Monaten dauern und ist dann zeitlich deckungsgleich mit der sog. Wartezeit. Für die Dauer der vertraglichen Probezeit wird meistens eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart (z. B. 2 Wochen), als für die Zeit danach.

Die Arbeitnehmerin hatte einen Vertrag mit einer Probezeit unterzeichnet. Die Aussage, die Probezeit würde nur „pro forma“ vereinbart, hat nichts daran geändert, dass die Probezeit vertraglich festgelegt wurde. Dass der Arbeitgeber mit seiner Aussage auf eine Probezeit verzichten wollte, war hier nicht anzunehmen, so das LAG: „Aus dem Zusatz „pro forma“ lässt sich lediglich entnehmen, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Zweifel an einem erfolgreichen Verlauf der Probezeit hatte, weil sie die notwendigen Fachkenntnisse bei der Klägerin als gegeben ansah.“

Um Sicherheit zu haben, hätte die Arbeitnehmerin also darauf drängen müssen, dass die Probezeit aus dem Vertrag gestrichen wird.

Vor Ablauf von 6 Monaten hatte die Arbeitnehmerin aber gesetzlich sowieso noch keinen Kündigungsschutz. Der Verzicht auf eine Probezeit hätte der Arbeitnehmerin also nichts geholfen: Um Kündigungsschutz zu haben, müsste man die Aussage, die Probezeit würde nur „pro forma“ vereinbart, zusätzlich als einen Verzicht auf die gesetzliche Wartezeit verstehen. Hiervon konnte die Arbeitnehmerin nicht ausgehen.

Die sehr allgemeine Information des Personalrats war ebenfalls in Ordnung, weil eine Kündigung während der Wartezeit auf Einschätzungen zur Eignung einer/s Arbeitnehmerin/s gestützt werden darf und es dann auch genügt, wenn der Arbeitgeber dem Personalrat (oder Betriebsrat) diese so mitteilt.

Unser Tipp:

Auf mündliche Aussagen in Vorstellungsgesprächen oder bei Einstellung dürfen Sie sich nicht ohne weiteres verlassen und vor allem dann nicht, wenn im schriftlichen Arbeitsvertrag etwas anderes vereinbart wird. Wenn Ihnen bestimmte Bedingungen wichtig sind, müssen Sie auf eine klare Regelung im Arbeitsvertrag bestehen.

Wenn Sie nicht sicher sind, ob eine Regelung im Arbeitsvertrag das beinhaltet, was Sie verstanden haben, oder wirklich geregelt wurde, was Sie wünschen, dann lassen Sie sich vor Abschluss des Arbeitsvertrags beraten.

Wir helfen Ihnen gerne !