Anfechtung der Betriebsratswahl – Öffnung der Freiumschläge
Leitsatz
Eine zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigende Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl folgt nicht daraus, dass der Wahlvorstand Zeit und Ort der Öffnung der im Rahmen der Briefwahl eingegangenen Freiumschläge nicht ausdrücklich mitgeteilt hat.
Sachverhalt
Eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft hat eine Betriebsratswahl angefochten mit der Begründung, dass der konkrete Zeitpunkt für die Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler durch den Wahlvorstand nicht angegeben sei.
Das Bundesarbeitsgericht hat letztendlich die Wahlanfechtung zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„… Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt keine zur Anfechtung berechtigende Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl daraus, dass der Wahlvorstand Zeit und Ort der Öffnung der im Rahmen der Briefwahl eingegangenen Freiumschläge nicht ausdrücklich mitgeteilt hatte. Angesichts der im Wahlausschreiben enthaltenen Angaben zu den Öffnungszeiten des einzigen Wahllokals zur persönlichen Stimmabgabe war dies nicht erforderlich. Da der Wahlvorstand die Freiumschläge nach § 26 Abs. 1 WO „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ öffnet, besteht kein Zweifel, an welchem Ort und zu welcher Zeit dies zu geschehen hat. Auch aus der Entscheidung des Senats vom 10. Juli 2013 ergibt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nichts anderes. … Das Landesarbeitsgericht hat seine Annahme, der Wahlvorstand habe zu früh mit der Öffnung der Freiumschläge begonnen, allein damit begründet, dass die Öffnung der Freiumschläge und Entnahme der Wahlumschläge sowie der vorgedruckten Erklärungen, der Vermerk der Stimmabgabe in der Wählerliste sowie die Einlegung der ungeöffneten Wahlumschläge in die Wahlurne bereits gegen 17:30 Uhr – also eine Stunde vor Abschluss der Stimmabgabe – beendet gewesen sei. Damit hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff „unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe“ verkannt.
§ 26 Abs. 1 Satz 1 WO gewährt dem Wahlvorstand eine Einschätzungsprärogative dazu, welchen Zeitraum er voraussichtlich für die nach § 26 Abs. 1 WO gebotenen Handlungen benötigen wird. … Ob sich der Beschluss des Wahlvorstands, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit der Öffnung der Freiumschläge zu beginnen, innerhalb der Grenzen seines Beurteilungsspielraums hält, kann nicht allein danach beurteilt werden, um welche Uhrzeit der Wahlvorstand die Tätigkeit tatsächlich beendet hat. Vielmehr bedarf es einer ex-ante-Betrachtung. Es kommt darauf an, wieviel Zeit der Wahlvorstand aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls einplanen durfte, um mit dem Öffnen der Wahlumschläge und den weiteren nach § 26 Abs. 1 WO erforderlichen Handlungen rechtzeitig vor dem Abschluss der Stimmabgabe fertig zu sein. Der Wahlvorstand hat daher insoweit eine Prognose anzustellen, wobei ihm bei der Bewertung der Umstände ein Beurteilungsspielraum zukommt. … Liegt zwischen dem Ende der nach § 26 Abs. 1 WO vorzunehmenden Handlungen und dem Abschluss der Stimmabgabe ein längerer Zeitraum, so folgt daraus nicht ohne weiteres, dass die Prognose unzutreffend war. Vielmehr können im Verfahren um die Wahlanfechtung die Gründe dargelegt werden, aufgrund derer der Wahlvorstand davon ausgehen durfte, mit dem Öffnen der Freiumschläge so frühzeitig beginnen zu müssen. …“
Fazit
Das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtstreit an das Landesarbeitsgericht Hessen zurückverwiesen, damit hier das Landesarbeitsgericht noch eine nähere Sachaufklärung vornimmt.
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Bundesarbeitsgericht vom 20.05.2020 – 7 ABR 42/18 –