Verspätete Lohnzahlung – Verzugsschaden
Leitsatz
Durch die Rückzahlung von Leistungen nach dem SGB II wegen einer verspäteten Lohnzahlung entsteht dem Arbeitnehmer kein (weiterer) Verzugsschaden.
Tatbestand:
Der Kläger war aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags bis zum 31.05.2014 beim beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Die Vergütung zahlte der Arbeitgeber zunächst jeweils im Folgemonat, den Lohn für April 2014 indes erst am 10.06.2014 und den für Mai 2014 erst am 14.07.2014. Auf Antrag des Klägers vom 02.06.2014 bewilligte ihm das Jobcenter am 10.07.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (“Hartz IV”) für den Zeitraum Juli bis November 2014. Nachdem der Kläger den Lohn für Mai 2014 nachgezahlt erhalten hatte, hob das Jobcenter wegen fehlender Hilfebedürftigkeit im Juli 2014 für diesen Monat die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auf und verlangte vom Kläger die Erstattung von 535,32 Euro.
Der Kläger klagte nach erfolglosem Widerspruch vor dem zuständigen Sozialgericht auf Aufhebung des Erstattungsbescheides. Darüber war noch nicht entschieden.
Mit hiesiger Klage hat der Kläger über drei Instanzen die Freistellung von der Erstattungsforderung des Jobcenters vorsorglich vom Arbeitgeber verlangt. Er hat gemeint, durch die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II erleide er einen Vermögensschaden, den ihm der Beklagte wegen der verspäteten Lohnzahlung für den Monat Mai 2014 ersetzen müsse.
Entscheidung:
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten der Klage stattgegeben, das Bundesarbeitsgericht hingegen gab dem Arbeitgeber Recht. Das BAG führt aus:
Zahlt der Arbeitgeber Arbeitsentgelt nicht oder verspätet, hat der Arbeitnehmer wie jeder Gläubiger einer Geldschuld, unabhängig von einem konkreten Schaden, zunächst den Zinsanspruch nach § 288 Abs. 1 BGB, dessen Höhe dem Schuldner den Anreiz nehmen soll, fällige Zahlungen hinauszuzögern. (Heute 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz). Der nach § 288 Abs. 4 BGB ersatzfähig bleibende weitere Schaden ist typischerweise derjenige, der dem Arbeitnehmer entsteht, weil ihm das nicht oder nicht rechtzeitig gezahlte Geld zum Bestreiten seines Lebensunterhalts fehlt und er deshalb einen Kredit aufnehmen und dafür Zinsen zahlen muss oder aber bei rechtzeitiger Lohnzahlung der Lohn verzinslich hätte angelegt werden können (dann besteht der Schaden in den entgangenen Anlagezinsen).
Im Falle des Verzugs des Arbeitgebers mit der Entgeltzahlung hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt und auf dem Verzug beruhenden Leistungen nach dem SGB II. Bei zeitlicher Kongruenz von Arbeitsentgelt und Sozialleistung geht der Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe der bezogenen Sozialleistung auf den Leistungsträger über (§ 115 SGB X), bei zeitlicher Inkongruenz entfällt der Anspruch auf die Leistung nach dem SGB II rückwirkend, sofern der Arbeitnehmer wegen des nach Bewilligung der Sozialleistung zugeflossenen Arbeitsentgelts im Bezugszeitraum oder Teilen davon objektiv nicht hilfebedürftig i.D.d. § 9 SGB II war. Deshalb ist es ausgeschlossen, eine berechtigte Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II wegen verspätet gezahlten Arbeitsentgelts als Schaden des Arbeitnehmers zu werten.
Auch der Schutzauftrag des Grundgesetzes aus dem Sozialstaatprinzip des Art. 20 GG verwehrt es dem Staat nicht, Sozialleistungen nur subsidiär zum Arbeitseinkommen zu gewähren und zu verlangen, dass Hilfebedürftigkeit nicht nur im Zeitpunkt der Entscheidung über die Sozialleistung, sondern für die gesamte Dauer des Bewilligungszeitraums, besteht.
Der Arbeitgeber muss also in diesem Fall nur Verzugszinsen zahlen.
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 17.01.2018 – 5 AZR 205/17 –
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