Nachwahl eines freizustellenden Betriebsratsmitglieds
Leitsätze
- Die Wahl eines freizustellenden Betriebsratsmitgliedes kann in entsprechender Anwendung von § 19 BetrVG angefochten werden. Zur Anfechtung ist ein einzelnes Betriebsratsmitglied berechtigt. Die Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG beginnt mit der Feststellung des Wahlergebnisses durch den Betriebsrat.
- Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BetrVG werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Das Gesetz enthält eine planwidrige Regelungslücke für den Fall, dass die Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes während der Amtszeit des Betriebsrates endet. Die durch Ausscheiden eines Betriebsratsmitglieds aus der Freistellung eintretende Unterschreitung der Mindestzahl von freizustellenden Betriebsratsmitgliedern bedarf eines Ausgleichs, weil die nach dem Gesetz vorgesehene Mindestzahl an Freistellungen nach der gesetzlichen Konzeption für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats und nicht nur für die erstmalige Freistellungswahl maßgeblich ist.
- Für den Fall des Ausscheidens eines im Wege der Verhältniswahl in die Freistellung gewählten Betriebsratsmitglieds ist die Gesetzeslücke durch eine entsprechende Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu schließen. Danach ist das ersatzweise freizustellende Mitglied derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, der das zu ersetzende Mitglied angehörte.
- Ist diese Vorschlagsliste erschöpft, ist das ersatzweise freizustellende Ersatzmitglied nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl zu wählen und nicht der Vorschlagsliste zu entnehmen, auf die bei der ursprünglichen Freistellungswahl die nächste Höchstzahl entfallen wäre. Eine analoge Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG kommt nicht in Betracht.
Ergebnis
Ist die ursprüngliche Liste der Kandidaten für die Freistellung erschöpft, kann der Betriebsrat über jede Ersatzfreistellung per Mehrheitswahl abstimmen. Einstimmig muss diese Wahl nicht sein. Auch eine ¾-Mehrheit wie bei der Abberufung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes ist nicht erforderlich (§ 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG).
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2018 – 7 ABR 54/16 –
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